Wachgeküsst

Zwischen Barock und Landschaftsgarten

Es war einmal... ein märchenhafter Garten am Ammersee. Durch seine besondere Hanglage, einen getreppten Wasserlauf und einen zugehörigen Waldstück am Fuße wirkt er wie aus einem Grimm-Märchen entsprungen. Fehlt nur noch der Prinz auf seinem weißen Pferd...

Diese schmucke Villa aus dem Jahr 1901 lag im tiefen Dornröschenschlaf. Brennnesseln und Buschwerk machten sich im kleinen Park allenthalben breit, sodass kein Durchkommen war. Selbst von der Straße konnte man die Gründerzeitvilla kaum mehr ausmachen. Und obwohl das historische Gebäude oberhalb eines Hanges thront, waren die Blicke verstellt, sodass es keinen Bezug zur Landschaft mehr gab. Gerade noch rechtzeitig wurde die Villa vor dem Verfall gerettet, mit Sachverstand saniert und der kleine Park am Hang wiederbelebt. Bevor Marliese Höfer und Harry Dobrzanski ein Grundkonzept für den weitläufigen Hanggarten erstellten, gingen sie auf Spurensuche. Es fand sich ein alter handgezeichneter Plan, auf dem formale Gemüsebeete am Haus und ein Teich im unteren Teil des Gartens eingezeichnet waren – Reste davon ließen sich sogar auffinden. Als Selbstverständlichkeit empfanden es die beiden Landschaftsarchitekten, mit dem alten Baumbestand sensibel und verantwortungsvoll umzugehen – schon allein aus Gründen des Naturschutzes.

Lage des GartensAmmersee-Region
Größe des Gartens7.800 m²
Planungsbürodie-grille selbständige Landschaftsarchitekten
Zum Profil
Ausführunggartenform Florian Bornhöft
FotografieHarry Dobrzanski, Marliese Höfer, David Schvarcz, private Bilder der Auftraggeber
Entstanden ist eine großzügig wirkende Parkanlage, die einen fließenden Übergang zwischen barock anmutender Gestaltung und schwingende Landschaft formt.

Marliese Höfer (z. v. l.) und Harry Dobrzanski (mittig)

So wurden nur wenige Bäume entnommen, um Sichtachsen freizulegen und den weiten Blick in die Landschaft wiederherzustellen. Das Gros der Baumveteranen blieb erhalten und prägt die parkartige Atmosphäre bis heute. Insbesondere im unteren naturnahen Baumhain wurde nur sorgsam eingegriffen, „um die Dinge so sein zu lassen und nicht alles zu überformen“, wie Harry Dobrzanski betont. Direkt an der Villa ergab sich dagegen eine klassische Gestaltung als Ergänzung der Architektur. Formale Beete mit Rosen und Stauden beziehen sich klar auf Eingänge und Sichtachsen. Terrassenbereiche und kleine, intime Räume laden zum entspannten Aufenthalt ein. Vor dem neuen, gläsernen Anbau an der Küche öffnet sich der Blick auf ein Raster aus Felsenbirnen (Amelanchier lamarckii), die als Maßstabsvermittler zu den Großbäumen wunderbare Dienste leisten. Gleichzeitig bieten sie zu jeder Jahreszeit einen Blickfang – im Frühjahr als weiße Blütenwolke, im Herbst mit einem Laubspektakel in warmem Orangerot. Die intensiven Formen lösen sich den Hang hinab und zu den Rändern des Grundstückes auf und gehen in landschaftlich gestaltete Bereiche über, die sich in die ländliche Umgebung integrieren. Die natürliche Grenze zwischen den so unterschiedlichen Bereichen bildet die Hangkante. Eine gerade Achse in Form einer Wassertreppe und ein geschwungener Weg, der den Hang hinabführt, verbinden die beiden Teile miteinander. Auch in der Vegetation spiegelt sich dieser Übergang wider. Entlang der Wassertreppe bedeckt eine Schattenvegetation aus Frauenmantel (Alchemilla mollis), Blauem Eisenhut (Aconitum napellus), Christrose (Helleborus niger) und Funkiensorten den Boden unter den alten Bäumen und zaubert die milde Atmosphäre einer Waldlichtung. Die Wassertreppe macht sich den natürlichen Geländeverlauf zunutze und folgt dem Höhensprung den Hang hinab. So wird die gesamte Länge des Grundstücks mit der Sichtachse entlang der Wassertreppe inszeniert. Das Wasser mündet schließlich in ein feuchtes Kiesbeet, das in das Ufer des Schwimmteiches übergeht. Am unteren Hang schwingt der Weg durch Räume, die Heckenscheiben aus Hainbuche und Eibe bilden. Mal ist es eine Wiese, an anderer Stelle ein Hain aus mehrstämmigen Sträuchern – eine abwechslungsreiche Gestaltung, die zum Spazieren und Entdecken einlädt, die immer wieder mit neuen Blickwinkeln und Blickbezügen überrascht.

Impressionen