
Raum für die Natur
Ein artenreicher, naturnaher Garten.

„Das Konzept erscheint arbeitsintensiv, doch 'pflegeleicht' kann auch bedeuten zuzulassen, dass sich Pflanzen im Garten versamen und ausbreiten. Ziel war eine lebendige Bepflanzung, kein statisches Bild.”

Michael Grimm
Die Besitzerin engagiert sich im Naturschutz und möchte mit ihrem Garten ein Beispiel geben, wie man auf kleiner Fläche etwas für den Erhalt der Vielfalt (Biodiversität) tun kann. Die Natur soll in ihrem Garten Raum bekommen – die hautnahe Erfahrung der Natur mit allen Sinnen spielt für sie eine wesentliche Rolle. Zusammen mit der engagierten Naturschützerin entwickelte Gartenbautechniker Michael Grimm ein Konzept, das diesen Werten Rechnung trägt. Zunächst wurde der Hanggarten mit Trockenmauern aus regionalem Muschelkalk (Tengener Muschelkalk, wiederverwertet aus Abbruch) terrassiert, die Insekten, Eidechsen und anderen kleinen Tieren Unterschlupf bieten. Rasen gibt es nicht, dafür erheben sich allerorten Blumen und Stauden aus den Beeten, an denen schmale, wasserdurchlässige Wege vorbeiführen. Taglilien (Hemerocallis in Sorten), Sonnenhüte (Echinacea in Sorten), Königskerzen (Verbascum) oder Mazedonische Witwenblumen (Knautia ma cedonica) bringen nicht nur Schönheit und Farbe in den kleinen Garten, sondern versorgen auch Insekten mit Nahrung. Ein Wasserspiel plätschert über die Kalksteine und bildet am Fuß der untersten Mauer einen kleinen Teich, der trotz seiner geringen Größe Lebensraum bietet. Vom geschützten Sitzplatz in der Mauernische am Haus lässt sich der kleine Wasserlauf beobachten. Zu einem Rundgang durch den Garten lädt die Anordnung der Beete und Wege ein, der einem Lehrgang in Sachen Artenreichtum gleichkommt. Auch an die Kultivierung alter Apfelsorten, wie etwa der 'Goldparmäne' (Malus domestica), ist gedacht worden. Diese traditionsreiche Apfelsorte soll bereits im 12. Jahrhundert existiert haben, heute ist sie fast in Vergessenheit geraten. Im Supermarkt sucht man diesen fein-säuerlichen Tafelapfel vergebens – hier kann er, frisch vom Baum gepflückt, gleich genossen werden. Auch an den Beerensträuchern, wie Rote Johannis- (Ribes rubrum), Stachel- (Ribes uva crispa) und Apfelbeeren (Aronia), kann man im Vorbeigehen wertvolle Vitamine naschen – und das ganz ohne Spritzmittel. Doch ist auch für die Nase viel geboten. Der Duft der Rosen hebt die Stimmung, allen voran der Wohlgeruch, den die purpurroten Blüten der 'Rose de Resht' verströmen, einer Damaszener-Rose, die zu den Alten Rosen zählt. Ihr steht die moderne Züchtung 'Hermann-Hesse-Rose' (Beetrose) in nichts nach. Sie wurde nach dem berühmten Schriftsteller benannt, der einst auf der Höri selbst einen Garten um sein Landhaus anlegte. Ein Erlebnis für die Sinne, geschmacklich wie olfaktorisch, bietet der Kräutergarten mit Klassikern wie Bohnenkraut (Satureja montana), Melisse (Melissa offi cinalis), Thymian (Thymus in Sorten) oder Dill (Anethum graveolens). Versteht sich von selbst, dass bei dieser Auswahl Bienen, Hummeln und Schmetterlinge auf ihre Kosten kommen. „Das Konzept erscheint auf den ersten Blick arbeitsintensiv, doch ‚pflegeleicht‘ kann auch bedeuten zuzulassen, dass sich Pflanzen im Garten versamen und ausbreiten. Ziel war eine lebendige Bepflanzung, kein statisches Bild“, sagt Michael Grimm. So verändert die Bepflanzung aus Einjährigen, Mehrjährigen und Stauden von Jahr zu Jahr ihr Erscheinungsbild. Der Zufall darf „mitgärtnern“ und schafft überraschende Kombinationen – und gerade das verleiht diesem naturnahen Garten seinen ganz besonderen Charme.
