Von der Funktion zur lebendigen Oase

Lebendige Natur trifft auf kubistische Architektur

„Alles war funktional und voll automatisiert mit Bewässerung und automatischem Rasenmäher. Man musste sich um nichts kümmern, und man musste und wollte keine Zeit darin verbringen“, erinnert sich Manuel Wehrle an seine ersten Eindrücke.

Da besteht der Garten noch aus Rasen, Hecke, vier Säuleneichen und einem mit Efeu bewachsenen Hang – ziemlich artenarm für über 3.000 m2! Für den Gartendesigner ein Stück Land ohne jegliche Poesie, das nicht zur fein durchdachten Architektur des Wohnhauses passt. Es wird zu seinem eigenen Garten und dem seines Partners, in dem die Natur eine feste Größe ist. „Poesie wird erzeugt, indem man die Pflanze in den Vordergrund stellt, die Natur wirken lässt. Unser Anreiz war es, den Garten artenreich zu gestalten, für den Klimawandel zu rüsten und ihm Räume zu verleihen. Auch sollte er der Klarheit der Architektur gerecht werden“, formuliert Manuel Wehrle seinen Anspruch an die Gestaltung. Das Paar spricht über Wünsche, Kindheitserinnerungen und Emotionen, die mit einem Garten in Verbindung stehen. Daraus leitet Manuel Wehrle sein Konzept ab, zeitlos und keinem Trend folgend, welches sich aus dem Ort heraus entwickelt und die Gefühle reflektiert. So entsteht ein artenreicher Garten mit Streuobstwiese, Stauden und einem Gemüsegarten, der in herrlichem Kontrast zur kubistischen Bauhausstruktur des Wohngebäudes steht. Die Architektur gibt die klare Linie vor, die „Wildheit“ der Bepflanzung sorgt für weiche und zarte Formen – das erzeugt spannende Kontraste. Vor dem Haus bildet ein „Waldgarten“ aus Kiefern, Birken und Winterkirsche das Entrée. Im rückwärtigen Garten findet sich die Streuobstwiese mit Gemüsegarten, der „von den Proportionen und auch der räumlichen Wirkung besonders gut gelungen ist.“

Lage des GartensPotsdam, Brandenburg
Größe3.200 m²
PlanungsbüroAtelier Wehrle
 
PlanungsbüroAtelier Wehrle
Zum Profil
AusführungGPL Ingo Kunde GmbH
FotografieVladyslav Pustovit
Streuobstwiese, Stauden und ein Gemüsegarten treffen auf kubistische Bauhausstruktur und kreieren Emotionen und Gartenräume. Ein Refugium für Flora, Fauna und den Menschen.

Manuel Wehrle

Kultiviert wird nach dem „No-Dig“-Prinzip (Charles Dowding), regelmäßige Kompostgaben inbegriffen, sodass Gemüse und Schnittblumen gesund und kräftig wachsen. Historische Obstbäume, wie es sie schon im Potager du Roi in Versailles zu Zeiten König Ludwigs XIV gab, sorgen für Struktur. Was zunächst wie ein Nachteil wirkt, münzt der Gartendesigner in einen Vorteil um: den regional typischen Sandboden und die damit verbundene Trockenheit. Gepflanzt wird nach dem bewährten Prinzip von Beth Chatto „right plant – right place“. Gute Erfahrungen sammelt Manuel Wehrle mit Pflanzen des Mittelmeerraumes wie immergrüner Korkeiche (Quercus suber), Mittelmeer-Wolfsmilch (Euphorbia characias ssp. wulfenii) oder Zistrose (Cistus x oblongifolius). Eigentlich bei uns nicht winterhart, kommen diese Arten hier mit Frost überraschend gut klar, da die sandigen Böden selbst im Winter Feuchtigkeit nicht halten. Dank des mageren Bodens zeigt sich auch die Wiese mit interessanten Arten wie dem Großen Klappertopf (Rhinanthus serotinus) schon nach wenigen Jahren artenreich. Gehölze und Stauden bekommen nach einer Anwachs- und Entwöhnungsphase kein Wasser mehr und entwickeln so tiefe Wurzeln. „Direkt am ersten Tag wurde die Bewässerung komplett abgestellt. Es ist uns sehr wichtig, schonend mit unseren Ressourcen und vor allem mit Wasser umzugehen. Die Pflanzen sind stark und für die Zukunft gewappnet, keine Pflanzflächen sind an den Tropf gebunden“, betont Manuel Wehrle. Von Januar bis Dezember schmückt sich der Garten mit immer neuem Flor, selbst in der kalten Jahreszeit überrascht die Winterkirsche (Prunus subhirtella 'Autumnalis') mit zartrosa Doldenblüten. So ist der Lauf der Zeit durch das sich ständig wandelnde Gartenbild erlebbar. „Vor allem in den Abendstunden schenkt einem der Garten magische Momente, wenn sich die Sonne in Halmen und Blüten der Stauden fängt und Licht, Farbe und Stimmung die Magie der Natur unterstreichen“, so Manuel Wehrle. Alles ist geplant, doch nichts wirkt künstlich oder gar erzwungen. Die Natur findet ihren Platz, belebt den Garten und schenkt ihm die ersehnte Poesie.

Impressionen