Hofgarten

Form kontra Fülle

Dieser Garten steht auf uraltem Kulturland.

Dieser Garten steht auf uraltem Kulturland, denn er gehört zu einem Hof, der sich mitten in einem verwinkelten Winzerdorf im größten Weinbaugebiet Deutschlands befindet. Typisch für die Gegend ist das Ochsenblutrot, mit dem das Fachwerk des alten Hauses bestrichen wurde, das in Teilen sogar noch aus der Barockzeit stammt. Iris Leonhardt und Jürgen Süß sanierten dieses historische Fachwerkhaus so behutsam, dass Charme und Charakter erhalten blieben. Mit gleicher Sensibilität widmeten sie sich auch der Wiederherstellung des dazugehörigen Innenhofes und Gartens.

Lage des GartensWesthofen, Rheinland-Pfalz
GrösseHof- und Gartengröße 1050 m²
Planungsbürorheinblau2_ objektdesign_ kommuniktion
Zum Profil
AusführungIris Leonhardt und Jürgen Süß
FotografieIris Leonhardt
Wenn wir den Garten betreten, gilt der erste Blick den Wolken und dem Licht. Die Mauer nehmen wir als Objekt wahr, als abstraktes Gebilde.

Iris Leonhardt und Jürgen Süss

Längs zum Haus verläuft der kleine Innenhof, der mit dem Hoftor zu einem Hortus conclusus, einem geschlossenen Garten, wird. Wie eine Zugbrücke die Burg, so schließt ein Tor den Innenhof und macht ihn zum Rückzugsort. In einer Nische ist dort eine kleine, mit Wein bewachsene Laube versteckt, in die man sich gänzlich ungestört zurückziehen kann. Über Stufen gelangt man in den höher gelegenen Garten. „Hier war alles voller Brombeeren, doch der Blick zur Kirche und dem Marktplatz war betörend“, erinnert sich Iris Leonhardt. Zwar sollte die Anlage Bezug auf die Geschichte des Hauses nehmen, doch in keinem Fall zu kitschig wir- ken. Also übernahm Iris Leonhardt aus dem Vorgefundenen die steinernen Begrenzungsmauern und entwickelte einen kleinen Barockgarten mit für die Zeit typischen geometrischen Gartenräumen, die sich zu einer Gesamtanlage verbinden. „Die Geometrie ist die Klammer, die Stein und Pflanze als Materialien verbindet“, erklärt Iris Leonhardt. Die Strenge wird jedoch durch überbordende Staudenfülle gemildert. Dominierendes Element in der Gestaltung ist der Mittelweg als zentrale Sichtachse. Die Blickrichtung akzentuiert eine 10 Meter hohe Natursteinmauer am Ende des Gartens, die das Gefälle zu den dahinter liegenden Weinbergen abfängt. Sie ist Blickfang (Point de vue) und Abschluss der Sichtachse. „Wenn wir den Garten betreten, gilt der erste Blick den Wolken und dem Licht. Die Mauer nehmen wir als Objekt wahr, als abstraktes Gebilde. Die Wolkenformationen über der statischen, alten Mauer verändern sich ständig – wie das Licht“, schwärmt Iris Leonhardt. Regelmäßigkeit und Symmetrie bestimmen den Garten. Strukturbildend im Meer der Stauden sind die kleinen, symmetrisch gesetzten Eiben-Paravents. Sie deuten die Begrenzung entlang des Mittelweges und zwischen den einzelnen Themenbereichen an. Letztere rücken die Pflanzen in den Mittelpunkt, etwa im „Blauen Karree“, einem Gartenraum, der ausschließlich mit blau blühenden Stauden bepflanzt wurde. Unterschiedliche Sorten Iris (u.a. Iris x barba­ ta­elatior 'Blue Suede Shoes'), Blauraute (Perovskia atriplicifolia 'Blue Spire'), Salbei-Sorten (Salvia nemorosa 'Ostfriesland' und 'Caradonna'), Raublatt-Astern (Aster novae­angliae 'Purple Dome') und Großblütige Katzenminze (Nepeta grandiflora 'Blue Danube') machen diesen Ort zu einem Dufterlebnis. „Ein intensives Gefühl von Natur ist gewünscht. Die Stauden wirken wild und zerzaust, romantisch und melancholisch inmitten der Reb-Anbauflächen. Der symmetrischen Ordnung ist eine überschäumende Bepflanzung gegenübergestellt, welche die Strenge einfach überwächst – bis zur Unkenntlichkeit“, erklärt Iris Leonhardt die Idee dahinter. Nur im Winter, wenn sich die Stauden weitgehend in die Erde zurückgezogen haben, tritt die Regelmäßigkeit und Symmetrie wieder deutlich zutage und beherrscht dann das Bild dieses ungewöhnlichen Gartens.

Impressionen