Gartenlandschaft in Bewegung
Was für eine spannende Gestaltung!
Der Hof liegt in der Bündner Herrschaft, einem bekannten Weinbaugebiet, das sich durch sanfte Rebberge auf kalkreichen Schieferböden und einem weiten Blick auf die Bündner Alpen auszeichnet. „Das Tal ist geprägt von Rüfen. Es sind hochdynamische Taleinschnitte, welche im Frühjahr von wilden Bächen durchflossen werden, die im Sommer austrocknen“, beschreibt Anja Gut ihre Inspirationsquelle. Den Innenhof gestaltete die Schweizer Gartenplanerin als Abstrahierung dieser wild-romantischen Landschaft. Steine in Form einer großzügigen Pflasterung beherrschen den Platz, der von zwei Wasserrinnen durchzogen wird, die gleichzeitig der Entwässerungsführung dienen. Wenn nach Regenfällen Wasser in den Rinnen für eine Weile zurückbleibt, dann erinnert das an die Mulden der Rüfen. Blickfang ist ein großer Findling, der auf die umliegende Berglandschaft verweist. Diese Dramatik und Wildheit bietet einen starken Kontrast zu den funktionalen Gebäuden, die den Hof umgeben. „Wir haben uns über den Mut der Auftraggeber gefreut, sich auf das Abbild einer solch dynamischen Landschaft einzulassen und das Wilde zu akzentuieren und konsequent umzusetzen“, sagt die Gartenplanerin. Da ist es nur folgerichtig, dass dazu eine Begrünung gewählt wird, die Sukzession sichtbar macht und sich an eine dynamische Ruderalflur anlehnt. „Es sind die typischen Wildstaudenvertreter wie Rosmarin-Weidenröschen (Epilobium dodonaei) und markante Arten des Sanddorns, wie man sie in diesem Gebiet in Alluvionen vorfinden würde“, erklärt Anja Gut. Um für noch mehr Dynamik zu sorgen, wurde sogar Magerrasensaatgut mit Wildstauden wie Kartäusernelken, Wund- und Hornklee direkt in die Pflasterfugen gesät. Diese Pflanzengesellschaft wird die weniger stark beanspruchten Bereiche im Hof nach und nach besiedeln. An Gehölzen findet man neben dem Sanddorn (Hippophae rhamnoides) vor allem auch Mispeln (Mespilus germanica) und Zistrosen (Cistus), die sich mit wenig Schichtaufbau zufrieden geben und Trockenheit vertragen – denn ein Großteil des Innenhofes befindet sich auf dem Dach des Weinkellers. In Richtung der Gebäude bzw. im Privatgarten wird die Bepflanzung mit Zistrosen, Oleander und Schmalblättriger Ölweide (Elaeagnus angustifolius) noch mediterraner und passt so zum Weinbauklima. Der Privatgarten ist ein in sich geschlossener Gartenteil, der Intimität garantiert. „Die Ausrichtung des Sitzplatzes fängt die Sonne ein. Vom Holzdeck aus bietet sich einem eine Aussicht über den Schwimmteich auf die Berge“, beschreibt Anja Gut den Rückzugsort der Winzerfamilie. Die Kiesgartenflächen um den Schwimmteich nehmen die Gestaltung des Innenhofes auf, sodass beide Bereiche gestalterisch verbunden sind. Dazu trägt auch die Verwendung ähnlicher Pflanzen bei, die im privaten Garten jedoch dichter gepflanzt wurden. So empfindet man den Winzerhof als Einheit, der eine wilde und doch romantische Atmosphäre vermittelt. „Der nahtlose Übergang von Arbeitsflächen zu Aufenthaltsflächen macht aus dem Ort ein wunderbares Miteinander“, resümiert Anja Gut. Eine Einschätzung, die von der Jury voll und ganz geteilt wird.