Die andere Welt

Feld und Meer

Ein kleines Stückchen Grün für sich zu haben ist wohl der Traum vieler Familien. Diesen Traum haben die Gartenplaner Gianluca Torini und Sebastian Sowa nun umgesetzt. Da lacht nicht nur das Kinderherz.

Das Bochumer Ehrenfeld gilt als eines der attraktivsten Stadtviertel im Ruhrgebiet. Man lebt hier sehr zentral und gediegen; das Quartier wird überwiegend von stattlichen Gründerzeitvillen und gehobenen Einfamilien- und Mehrfamilienhäusern geprägt. Dieser kleine Stadtgarten gehört zu einer Eigentumswohnung innerhalb eines sachlich-nüchternen Neubaus, misst gerade einmal 100 m² und entstand zum Großteil auf dem Dach einer Tiefgarage. Die ebene Gartenfläche liegt den Wohnräumen mit ihren großen Glasfronten gegenüber. „Das haben wir von Anfang an nicht nur als räumlichen, sondern auch als atmosphärischen Dialog verstanden. Daher war ein künstlerischer Ausdruck und ein Garten mit einer meditativen Anmutung gefragt“, sagt Sebastian Sowa, der zusammen mit Gianluca Torini das ungewöhnliche Konzept erarbeitete. Die beiden jungen Landschaftsarchitekten wollten mit dem Garten nicht nur ein räumliches Gegenüber schaffen, in dem sich die klaren Formen des Gebäudes widerspiegeln. Für sie darf ein Garten auch eine ganz andere Welt sein, in die man gerade deshalb besonders gerne eintaucht.

Lage des GartensBochum, NRW
Größe des Gartens100 m²
PlanungsbüroSOWATORINI Landschaft
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AusführungPlantaVerde Garten- und landschaftsbau GmbH, Unterstützung bei der Pflanzung: Anja Maubach, Arends Staudengärtnerei
FotografieAlexander Luna
Ein Garten von erstaunlicher Einfachheit. Dem Haus begegnet der Garten als die andere Welt, der auf mehrfach gebrochene Weise, mit dem Thema Chaos und Ordnung arbeitet.

Gianluca Torini und Sebastian Sowa (nicht im Bild)

Pointiertes Arbeiten liegt den beiden Planern. Das Büro arbeitet seit vielen Jahren mit Installationen und Skulpturen an der Schnittstelle zur Kunst und bringt diese Erfahrungen in die gärtnerischen Projekte mit ein. Um zunächst die Grundlage für Wachstum auf dem Dach zu schaffen, wurde durch Aufkantungen und eine Blockstufenreihe der Substrataufbau für die Pflanzen erhöht. Die Reihe aus Blockstufen hat aber noch eine weitere Funktion: Sie markiert eine klare Schwelle zwischen der Welt des Gartens und der des Wohnbereichs. Stauden und Gräser bestimmen die Pflanzung. Sie geben sich mit dem geringen Substrataufbau zufrieden und sorgen gleichzeitig für vegetative Dynamik, die das ganze Jahr über deutlich sichtbar ist. Unter die Mischung aus unterschiedlich hohen Gräsern (u. a. Molinia, Hakonechloa) mischen sich zarte Stauden wie Patagonisches Eisenkraut (Verbena bonariensis) und Prachtkerzen (Gaura lindheimeri). Die bewegte Gräsergesellschaft rahmen unterschiedlich hohe Bambushecken, die das filigrane Thema an den Grundstücksgrenzen in die Höhe ziehen. Den Hintergrund bildet die wüchsige Sorte Fargesia nitida 'Jiuzhaigou 4' (Black Cherry), die mit ihren Halmen in dunklem Lila einen Kontrast zu den goldgelben Gräsern bildet. Die kräftig wachsende Sorte steht bereits auf gewachsenem Boden. Die seitliche Einfassung übernimmt die klein bleibende Sorte Fargesia murielae 'Freds Mini', die sich auch mit wenig Substrat zufrieden gibt. Über das Jahr wechselt der kleine Stadtgarten immer wieder sein Gesicht und macht die Jahreszeiten erlebbar. Das Winterbild prägen die mit Raureif überzogenen Gräser zwischen den anthrazitfarbenen Stelen aus Sichtbeton, die wie Skulpturen im Raum stehen. Eine Mischung aus Prärielilien (Camassia) und Tulpen (Tulipa) läuten das Frühjahr ein. Im Frühjahr kontrastieren die dunklen Stelen dann mit dem frischgrünen Austrieb der Gräser. Sommer und Herbst werden von der Vegetation geprägt, die Säulen treten in den Hintergrund. So lässt sich das Pflanzenwachstum über das Jahr an den Skulpturen ablesen. Eine kleine Spielerei lockert das Feld aus Betonstelen auf: Sie sind von vorne (20 cm hohe Stelen), nach hinten (60 cm hohe Stelen) in der Höhe gestaffelt, und ihre Oberfläche ist im gleichen Winkel geneigt, in dem das Feld ansteigt. Auch die Wege im Garten sind radikal anders als etwa an der Terrasse, die ganz klar dem Haus zugeordnet ist. Schmale Holzbohlen ragen in das bewegte Gräserfeld und geben beim Begehen nach, sodass man sich zum Sitzplatz inmitten der luftig-leichten Bepflanzung ganz anders fortbewegt als etwa an der Terrasse, balancierend, aufmerksamer. So wird der Gang durch die Wiesenlandschaft auf dem Garagendach zu einem sinnlichen Erlebnis. Die Welt des Gartens ist eben eine andere und darf auch anders erfahren werden.

Impressionen